Nachlese zum Fö N Festival 2024: Kreativität als Energie, die unsere Welt vorantreibt.

Unter dem Motto »Kreativität für alle« erkundete von 09.–14. September die (nach 2022) zweite Ausgabe des Fö N-Festivals in der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck jenen „Rohstoff“, den wir mehr als je zuvor brauchen werden, um eine bessere Zukunft in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik möglich zu machen. Ein ausverkauftes, viertägiges Prolog-Programm zum Mitmachen gipfelte in einem hochkarätig besetzten Summit, der über zwei Tage zum Neudenken und Andersmachen anstiftete.

„Gerade in Augenblicken der Ungewissheit entfaltet sich die transformative Kraft der Kreativität mit voller Wucht“, meinte Tom Jank, Co-Initiator des Fö N. Als Zeichen „gegen die geistige Schwerkraft“ widmete sich das Festival an vier Tagen voller Workshops, Interventionen, Aktionen und dem zweitägigen Summit den dringlichen Fragen unserer Zeit – und möglichen Antworten. Initiatoren, Speaker:innen und Publikum waren sich einig: Kreativität ist eine Ressource von unschätzbarem Wert. Sie offenbart sich aber nicht nur im kurzen „Heureka-Moment“, in dem plötzlich eine neue Idee aufblitzt, sondern in wirklich guten, sprich kreativen Prozessen, die neuen Ideen tatsächlich Raum geben.

Gefragtes Prolog-Programm in Zusammenarbeit mit vielen Partner*innen aus dem Kreativbereich Tirols.

Tirol hatte sichtlich Lust daran, aktiv zu werden und die verschiedenen Ebenen von Kreativität zu explorieren. Ein Großteil des Fö N-Prologs von Montag, 09.09.24 bis Donnerstag, 12.09.24 war schnell ausverkauft. Über 400 Personen nahmen an den teils kostenlosen Workshops, Vorträgen, Interventionen und Aktionen teil, die auch Stationen in Hall und Wörgl machten. Das Medium Film spielte im Fö N-Prolog eine wichtige Rolle, Festival-Organisator Daniel Dlouhy initiierte Kinoabende im Cinematograph, in der Kulturbackstube Bäckerei fand in Zusammenarbeit mit der WK Fachvertretung Film- u. Musikwirtschaft Tirol der Tag der Tiroler Film- und Musikwirtschaft statt, die Fotografeninnung veranstaltete Workshops und eine Ausstellung, und auch die Tiroler Filmbase steuerte einen Fachvortrag für Filmschaffende bei. Bernhard Sanders, der in Innsbruck eine der letzten „echten“ Handbuchbindereien betreibt, gab in einem Workshop Einblicke in seine Kunst; der Verein barcamp.tirol organisierte im neuen Agnes-Heller-Haus der Universität Innsbruck am Innrain ein innovatives Creative Barcamp, an dem über 50 Personen teilnahmen. Faszinierende Einblicke in ihre umfangreichen Bestände gewährten die Tiroler Landesmuseen im Forschungs- und Sammlungszentrum in Hall in Tirol, das Tiroler Landestheater bot im Rahmen einer Hausführung mit anschließendem Besuch einer Hauptprobe tiefe Blicke hinter die Kulissen. Architektur, Stadtentwicklung und Gemeinwohl standen bei einer Diskussion in der Innsbrucker BALE am Programm. In der Wörgler Stadtgalerie Polylog ging man im Rahmen einer von der TKI (Tiroler Kulturinitiativen) organisierten Diskussion der Frage nach, wie Kunst und Kultur ländliche Gegenden nachhaltig positiv beeinflussen können.

Das Fö N-Prologprogramm machte deutlich: Kreativität hat viele Gesichter, was sie zwar schwer fassbar, aber umso wertvoller macht. Kurt Höretzeder, der gemeinsam mit Tom Jank das Fö N-Festival auf den Weg gebracht hat, betonte den verbindenden Wert kreativen Denkens: „Kreativität hat immer zwei Seiten, die ohneeinander nicht auskommen. Nur wenn das Zusammenspiel von kreativen Umsetzern und Auftraggebern funktioniert, entsteht ein Spiel, das Freude macht und an dessen Ende eine gute, spannende Idee steht“. 


Gletscherwinde, Maultrommeln, Ameisen und ein „Hä?“
Kreatives Handeln als Wirkmacht für kleine und große Transformationen.

Wirtschaftstreibende, Kunstschaffende, Entscheidungsträger und Menschen, die Lust an der Zukunft haben, fanden sich im Publikum des Fö N-Summit im Innsbrucker Congress wieder. Daniel Dlouhys 35-köpfiges Team verwandelte das Tiroler Tagungszentrum am Freitag, 13. September und am Samstag, 14. September in das Auge des Sturms. Das Fö N-Logo, ein fliegender Berg, entpuppte sich in Form eines sechs Meter hohen Heliumballons zum viel fotografierten Publikumsliebling, ebenso die 25 eigens designten und ab sofort mietbaren Fö N-Möbel. Die Töne von Ausnahme-Cellist Lukas Lauermann schwebten zwischen den Redebeiträgen im Raum, im Foyer gab es Nervennahrung und Seelenfutter in Form von handverlesenen Büchern zu Kreativität, Design, Forschung und Kunst. In diesem Rahmen hatte Moderatorin Charlotte Buflerein leichtes Spiel, den Bogen zwischen den einzelnen Vorträgen zu spannen: Am Freitag erklärte der Berliner Designinnovations-Professor Sascha Friesike, wie sich Kreativität garantiert und unter allen Umständen im Keim ersticken lässt; die Designerin Magda Mojsiejuk erzählte die Geschichte der Zukunft neu; Markenstrategin Vera-Maria Glahn öffnete ihr „Handbuch für Nicht-Toxische Führung in der Kreativindustrie“; Till Grusche lud in sein „House of beautyful business“ ein, ein weltweites Netzwerk für eine „Life-Centered-Economy“; Musiker Albin Paulus entführte mit Maultrommel und Dudelsack in völlig neue Sphären. Daran knüpfte Philosophin Lisz Hirn an und stellte die Frage, ob Kultur Luxus sei (was sie natürlich ist – und auch wieder nicht). Als letzte Rednerin des ersten Summit-Tages begeisterte Glaziologin und Österreichs Wissenschaftlerin des Jahres Andrea Fischer – sie erklärte die schwindenden Gletscher zum Symbol für Veränderung und rief den Wissenschaftsbetrieb auf, kreative Wege der Kommunikation zu beschreiten, um in der Gesellschaft mehr Gehör zu finden.

Tag zwei des Fö N-Summit begann mit Leonard Sommer und der Forderung, den Bildungsbetrieb auf bessere Beine zu stellen, seine Initiative rief 100 Kreativschaffende in aller Welt auf, sich Gedanken zur Lernkultur der Zukunft zu machen. Transformationsexpertin Katharina Ehrenmüller präsentierte ihr „Ministerium für Neugier und Zukunftslust“, das ausgehend von der Linzer Tabakfabrik mittlerweile mehr als 700 Botschafter:innen hat. Realität und Fantasie homogenisierten sich mit dem Berliner Künstler Via Lewandowsky zu einem beherzten „Hä?“ und damit zur Erkenntnis, dass Missverständnis und Ablehnung zum sprudelnden Quell kreativen Schaffens werden können. Der Grafikdesigner Clemens Schedler plädierte in seinem Vortrag „Werkt das Zeug oder zeugt das Werk“ für mehr Selbstreflexion und Demut in der kreativen Praxis, die Künstlerin Angelika Wischermann teilte die Erkenntnisse ihrer experimentellen Forschung über das Transportverhalten von Waldameisen. Die Tür zu fernen Welten stieß Soziologe und Luft- und Raumfahrttechniker Stefan Selke auf: Sein Konzept „Poesie der Hoffnung“ ist ein Plädoyer für eine „kritische“, aber trotzdem beherzte Zukunftseuphorie als Treibstoff für unsere Gesellschaft. Filmkomponist und selbst ernannter „KI-Nerd“ Tom Batoy zeichnete mit seinem Vortrag über künstliche Intelligenz ebenfalls ein positives Bild vom Morgen und meinte: „Kreativität ist, wenn Mensch und Maschine gemeinsam träumen.“ – ein erstes Exempel dafür war zum Summit-Ende die „ Fö N-Hymne“, die Batoys KI-Helferlein quasi in Echtzeit vor Ort halluzinierte.

Tirols Winde frischen auf. Macher:innen im Rampenlicht. 

Den Abschluss des Summits bildeten bemerkenswerte Projekte aus Tirol, die im Rahmen eines Stage-Time-Formats vorgestellt wurden: Die Architektin Gertrud Tauber zeigte ihr Projekt architektur:lokal, das sie gemeinsam mit Andreas Semler betreibt und sich mit der Revitalisierung, Sanierung und Entwicklung von Gebäuden und Orten im ländlichen Raum beschäftigt. Thomas Bonora stellte die BALE in Innsbruck als Ort der Zusammenarbeit und des Austausches rund um Themen der Nachhaltigkeit und soziale Innovation vor – ein Projekt, das aktuell leider auch als Beispiel dafür dient, wie in Innsbruck wieder einmal (und trotz vielversprechendem Beginn) Möglichkeiten ungenutzt bleiben, ein Leuchtturmprojekt für die Kreativwirtschaft zu etablieren. Katharina Schmermbeck von der Universität Innsbruck stellte das Projekt INNklusion vor, das universitäre Lehre und Forschung dazu nutzen und Synergien schaffen möchte, um Barrieren abzubauen und Inklusion nachhaltig zu stärken. Michaela Senn vom Theater Praesent aus Innsbruck schilderte eindrücklich die Entwicklung des Offtheaters, das nun mit der Spielzeit 2024/25 in der Tschamlerstraße 3 (ehemals Utopia / Weekender) seine neue Spielstätte beziehen wird – und damit auch in Zukunft ihrem Motto „klein & widerständig“ treu bleiben kann; Flo Ennemoser vom Büro Maisengasse aus Landeck stellte das Projekt »wiegon« vor, bei dem gemeinsam mit Gemeinden, Städten und Unternehmen innovative digitale Lösungen in der Abfallwirtschaft entwickelt werden; der Informationsdesigner Christian Mariacher widmet sich seit Jahren der Herausforderung, Unterrichtsmaterialien durch besseres Design verständlicher und schöner zu gestalten; Vinzenz Mell präsentierte das Projekt Speis von morgen, das im Stadtteil St. Nikolaus/Mariahilf in Innsbruck einen genossenschaftlichen Nahversorger aufgebaut hat, in dem biologische, regionale und saisonale Lebensmittel von Produzent:innen der Umgebung angeboten werden.  Alle Projekte sind Beispiele leidenschaftlicher, kreativer Menschen und zugleich für angewandte Kreativität, die weit über bloß nette „Ideen“ hinausgehen und die neben gestalterischen auch soziale Aspekte der Nachhaltigkeit mitberücksichtigen.


Kreativität kartografieren und gute Ideen Schule machen lassen. 

Weitere konkrete Beiträge zu einer kreativen Vision für Tirol waren dem Festival ein spürbares Anliegen: Im Rahmen des Festivals präsentierte die Lebensraum Tirol Holding ihren neuen „Atlas Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft“. Das druckfrische Werk beleuchtet auf 64 Seiten den Ist-Zustand, elf hochkarätige Autor:innen zeigen in ihren Beiträgen mögliche Perspektiven und gangbare Wege auf, stellen gute Beispiele aus anderen Regionen vor und beleuchten das Potenzial von Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft im Tourismusland Tirol. Die „Schule der Ideen“ wiederum, die im Rahmen des Festivals einen ersten „Pilot-Day“ abhielt, möchte zukünftig kreatives Denken und Handeln fördern und jungen Menschen an der Schnittstelle zur beruflichen Zukunft Tools und Methoden bereitstellen, um deren Problem-Lösungskompetenz zu verbessern.

Fö N klart die Sicht aufs Morgen auf. 

Wie sein elementarer Namensgeber wirbelte das Fö N-Festival 2024 Staub auf, stieß Fenster ins Freie auf und sorgte für Zugluft zwischen den Synapsen. Geht es nach dem Orga-Team, wird es mit all dem gewonnenen, positiven Feedback weitergehen. Das Festival sieht sich selbst als kreativen Prozess und immer wieder in Veränderung. Seine zentrale Aufgabe: Die Kreativität im Land sichtbarer und wirksamer zu machen und sie als wichtigste Ressource für Transformation auch hierzulande in die Köpfe derer zu bringen, die an den politischen Schaltstellen sitzen.

FÖ N: Ja, Dampfplaudern: Nein!


Es braucht also Formate wie das Fö N-Festival – als Momentum gegen die Schwerkraft und den Stillstand, als Gegenkraft zu jenen, die der Zukunft den Atem rauben. Das Festival gibt uns Mut für das Morgen. In einer Welt, in der Berge erodieren, alte Sicherheiten längst der Vergangenheit angehören, in der der Krieg zurück nach Europa gekommen ist und künstliche Intelligenz zwischen Ängsten und Hoffnungen oszilliert, brauchen wir Kreativität dringender denn je. Das bloße Wiederholen des Altbekannten führt nicht weiter – Kreativität hingegen schon. Als ureigene Fähigkeit des Menschen schreibt sie jene großen und kleinen Narrative, die uns an die Zukunft glauben lassen, fort und treibt dabei nicht nur Ideen an, sondern bringt uns freudvoll ins Tun. Und damit das breitenwirksam wird, braucht es die Kreativität aller.  Fö N-Speaker Till Grusche brachte es schließlich auf den Punkt: „Kreativität ist die Energie, die unsere Welt vorantreibt. Auf jeder Ebene sehen wir, wie relevant diese Kraft ist. In der Wirtschaft ist sie die Quelle von Innovation. In der Gesellschaft ist sie das, was höheren Sinn stiftet und Gemeinschaft schafft. Und auf persönlicher Ebene ist Kreativität der Weg, wie wir uns mit unserem Innersten verbinden – was uns wiederum hilft, echte Verbindungen zu anderen zu schaffen.“

 

 

Text: Redaktion Werbung Tirol/Team Fö N Festival

Foto: Nicolas Hafele